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Digital Services Act auf einen Blick – Was steckt drin?

Ein “Grundgesetz für das Internet” – so nennt meine Kollegin Alexandra Geese, GRÜNE Abgeordnete im Europäischen Parlament, den neuen Digital Services Act (kurz: DSA). In der Nacht vom 22. auf den 23. April wurde er in der fünften Verhandlungsrunde zwischen dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und dem Rat der 27 Mitgliedsstaaten nach 17 Verhandlungsstunden beschlossen. Europa hat damit neue Regeln für Internetdienste und Plattformen festgelegt. Und das war wirklich dringend nötig! Der DSA stärkt ab sofort die Rechte der Nutzer*innen und nimmt Online-Plattformen mehr denn je in die Pflicht. Ich bin richtig froh, dass er jetzt da ist.

Alexandra hat den DSA als Schattenberichterstatterin für die Fraktion Greens/EFA (die Grüne Fraktion im Europäischen Parlament) auf seinem Weg durch die Europäischen Institutionen begleitet und verhandelt – bis hin zum nun abgeschlossenen Gesetz.

 Auf ihrem Blog hat Alexandra alle Beschlüsse des DSA im Detail verständlich erklärt. Das steckt drin:

“Klare Regeln für illegale Inhalte und starke Nutzer*innenrechte:
Künftig müssen Anordnungen von Justiz- und Verwaltungsbehörden der Mitgliedsstaaten gegen illegale Inhalte (Artikel 8) und Auskunftsersuchen (Artikel 9) von allen Online-Diensten unverzüglich umgesetzt werden. Das schafft Rechtssicherheit im Netz.

Alle Online-Dienste müssen eine Kontaktstelle bzw. einen Rechtsvertreter in der EU haben.
Das gilt auch für Dienste wie Telegram. Niemand kann in Europa auf dem Markt agieren, ohne sich an europäisches Recht zu halten.

Stärkere Rechte für die Nutzer*innen:
Allgemeine Geschäftsbedingungen und Gemeinschaftsstandards, die Regeln für die Moderation von Inhalten aufstellen, müssen in Zukunft auf objektive und nicht-willkürliche Art und Weise angewendet werden. Ungleiche Behandlung gleicher Inhalte bei verschiedenen Nutzer*innen wie heute bei Facebook üblich, wird damit rechtswidrig. (Artikel 12). Online-Dienste sind außerdem verpflichtet, bei der Anwendung ihrer AGBs die Grundrechte ihrer Nutzer*innen zu berücksichtigen.

Über die Content-Moderation muss in maschinenlesbaren Transparenzberichten jährlich Rechenschaft abgelegt werden (Artikel 13). Sehr große Plattformen müssen zudem offenlegen, wieviel Personal für die Inhaltemoderation eingesetzt wird und wie das Personal geschult und unterstützt wird (Artikel 33). Das ist ein starker grüner Erfolg.

Nutzer*innen werden europaweit harmonisierte Meldeverfahren zur Verfügung stehen, um potenziell illegale Inhalte im Netz schnell und einfach zu melden (Artikel 14). Aber auch Nutzer*innen erhalten endlich mehr Rechte. Verpflichtende Information und Beschwerdeverfahren bei den Plattformen (Artikel 15 und 17) sowie externe Streitschlichtungsverfahren (Art. 18) verhelfen Nutzer*innen konkret zu ihrem Recht und setzen der bisherigen Willkür im Umgang mit illegalen Inhalten, aber auch unrechtmäßigen Löschungen und Accountsperren ein Ende. Auch dafür haben wir uns als Grüne stark gemacht.

Einschränkung des Werbe-Tracking:
Online-Werbung ist eine der finanziellen Grundlagen des Internets. Aber das heutige Geschäftsmodell, das nach dem Prinzip Überwachungskapitalismus funktioniert, bedeutet, dass große Plattformen umfassende Datenprofile über Personen erstellen, die Manipulation und Kontrolle ganzer Bevölkerungsgruppen ermöglichen.

Wir haben ein Verbot der Profilbildung zu Werbezwecken aufgrund von sensiblen Daten (z.B. politische und sexuelle Orientierung, Gewerkschaftszugehörigkeit, Religion in Art. 24) und der Daten von Minderjährigen für Werbezwecke durchgesetzt. Das ist ein wichtiger erster Schritt zur Reduzierung der Datenprofile. Er dient auch zur Eindämmung von Desinformation, da diese zuerst in Gruppen verbreitet wird, bei denen die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie daran glauben und diese weiterverbreiten.

Schutz vor Manipulation:
So genannte „Dark Patterns“ drängen Internet-Nutzer*innen auf unfaire Art zu Entscheidungen. Zum Beispiel, indem sie in Cookie-Bannern die Option für das Einwilligen groß und prominent und direkt klickbar platzieren, während die Option für das Ablehnen von Cookies im Fließtext versteckt und nur über mehrere Klicks erreichbar ist. Oder, indem Nutzer*innen immer und immer wieder belästigt werden, obwohl sie ihre Einwilligung bereits verweigert haben. Damit ist jetzt Schluss: Schaltflächen müssen fair gestaltet sein, sodass Nutzer*innen künftig eine echte Wahl haben. Der DSA beinhaltet ein Verbot von irreführenden Mustern (Dark Patterns, Artikel 2 3a), mit denen Nutzer*innen zu Einwilligungen oder Käufen gedrängt werden. Leider wurde der Text in der finalen Verhandlungsrunde dahingehend abgeschwächt, dass bereits von bestehender Verbrauchschutz- und Datenschutzgesetzgebung abgedeckte Praktiken nicht in diesem Verbot enthalten sind. Die EU-Kommission kann jedoch Leitfäden veröffentlichen, die erklären, welche konkreten Praktiken unter das Verbot fallen. Mit einer stärkeren Regelung hätten wir das Netz wieder zu einem vertrauenswürdigeren Ort machen können.

Marktplätze:
Verbraucherverbände decken immer wieder unsichere und illegale Aktivitäten im Internet auf, vor allem wenn es um den Verkauf gefährlicher Produkte auf Online-Marktplätzen geht. Ein ganz neues Kapitel des DSAs wurde geschaffen, um eine Verpflichtung für Marktplätze einzuführen, alle Händler zu identifizieren, während die Anonymität der privaten Nutzer gewahrt bleibt. Online-Marktplätze müssen einschlägige Datenbanken stichprobenartig auf illegale Produkte abfragen und sich generell, „zumutbare Anstrengungen unternehmen, die Identität zu prüfen und somit Rückverfolgbarkeit der Händler sicherzustellen.

Verpflichtungen für sehr große Plattformen (VLOPs):
Plattformen mit über 45 Millionen Nutzer*innen in Europa sind aufgrund ihres starken Beitrags zur Meinungsbildung demokratierelevant.  Artikel 26 verpflichtet sehr große Plattformen zu jährlichen Bewertungen der Risiken, die auf ihr Design einschließlich ihrer algorithmischen Systeme sowie ihrer Funktionsweise und der Nutzung ihrer Dienstleistungen für Grundrechte, Menschenwürde, Datenschutz, Meinungs- und Medienvielfalt, Diskriminierungsverbot, Jugendschutz und Verbraucherschutz zurückgehen. Eventuelle negative Auswirkungen der Plattform-Dienste für den öffentlichen Diskurs und Wahlen, für geschlechtsspezifische Gewalt und auch für das mentale und physische Wohlergehen der Nutzer*innen müssen von den Plattformen analysiert werden. Artikel 27 verpflichtet die Plattformen, die identifizierten Risiken zu beheben.

Zugang zu Plattformdaten für Wissenschaftler und die Zivilgesellschaft:
Sehr große Online-Plattformen spielen eine zunehmend wichtige Rolle in der Gesellschaft, weil sie mit ihrer enormen Macht Meinungen und den öffentlichen Diskurs beeinflussen. Der Zugang für Forscher*innen und Zivilgesellschaft ist daher von entscheidender Bedeutung, um Plattformen zur Rechenschaft zu ziehen, eine unabhängige Kontrolle zu ermöglichen und zu verstehen, wie diese Plattformen funktionieren. (Artikel 31)

Mehr Handhabe bei der Durchsetzung: Den Aufsichtsbehörden stehen starke Maßnahmen zur Durchsetzung zur Verfügung (Artikel 41 ff.) Sie können Strafzahlungen in Höhe von bis zu 6 Prozent des weltweiten Umsatzes verhängen. Im Fall von anhaltenden Verstößen, können periodische Strafzahlungen in Höhe von bis zu 5 Prozent verhängt werden. Sie können einstweilige Maßnahmen anordnen und den Unternehmen bindende Selbstverpflichtungen abnehmen.

Der Rat und das EU-Parlament haben sich ebenfalls darauf geeinigt, dass sehr große Plattformen mittels Gebühren an der finanziellen Last ihrer eigenen Aufsicht beteiligt werden sollen.

Die EU-Kommission wird die zentrale Aufsicht über die speziell für sehr große Plattformen geltenden Vorschriften führen, um einem Durchsetzungsstau in einzelnen Mitgliedsstaaten zu verhindern – eine Idee, die von unserer Grünen Fraktion in der Plenarabstimmung eingebracht wurde.

 […]

Barrierefreiheit:
Die EU-Kommission wird Plattformen und Zivilgesellschaft bei der Erarbeitung von Codes of Conduct unterstützen, um die Barrierefreiheit im Internet sicherzustellen.

Insgesamt kann das Gesetz über digitale Dienste […] der Beginn eines digitalen Frühlings sein und der erste, entscheidende Schritt zu mehr Demokratie und Freiheit im Netz.”

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